Uwe Klein, Orts- und Fraktionsvorsitzender der FDP-Heusenstamm

Uwe Klein, Orts- und Fraktionsvorsitzender der FDP-Heusenstamm

Rede des Ortsvorsitzenden Uwe Klein

Was ist schon jetzt das Besondere am Jahr 2017?

Nein, es geht nicht – oder besser nicht gleich – um die Bundestagswahl oder Krisen und Unwägbarkeiten, an die wir denken.

Wir haben das Lutherjahr und feiern 500 Jahre Reformation. Im Oktober vor 500 Jahren formulierte Martin Luther, Doktor der Theologie und Bibelprofessor an der 1502 gegründeten Universität Wittenberg, seine 95 Thesen zum sog. Ablass.

Dieser Ablass hatte sich in einem jahrhundertelangen Prozess im Zusammenhang mit dem Bußsakrament herausgebildet. Der Priester erteilte dem Bußfertigen die Absolution und erlegte eine Strafe auf. Diese konnte durch eine Ablasszahlung getilgt werden. Dem lag die Vorstellung zugrunde, dass die Kirche durch Christi und der Heiligen Leiden einen unendlichen Schatz angehäuft habe. Diesen konnten die Priester und Bischöfe wiederum an die Sünder austeilen. Dies entartete aber schließlich. Überliefert ist ein Werbespruch von Johann Tetzel: „Wenn das Geld im Kasten klingt, die Seele aus dem Feuer springt.“

In dem frommen Kirchenmann Luther reifte die „reformatorische Entdeckung“, sein Verständnis und seine Lehre der Gerechtigkeit Gottes allein aus Gnade (sola gratia). Seine Erkenntnis war, dass der sündige Mensch, Christen sagen heute auch der getrennt von Gott lebende Mensch, ausschließlich durch dessen im Kreuzestod Jesu vermittelter und sichtbarer Gnade, gerecht bzw. erlöst werde; niemals jedoch durch eigene „gute Werke“ und schon gar nicht durch Geld. Aus dieser Erkenntnis folgte auch, dass jedem Menschen eine unmittelbare Gottesbeziehung offensteht.

Dies eröffnete dem Einzelnen eine ganz neue Freiheitsperspektive. Wenn jeder in gleicher Weise die Gnade Gottes empfangen kann, sind damit die Menschen auch vor Gott gleich. Das war eine ungeheuerliche Stärkung des Individuums.

Dies musste zum Konflikt mit einer Kirche führen, die damals behauptete entscheiden zu können, wer wann wie frei und erlöst sei. Durch die Lehre Martin Luthers musste sie um ihren Einfluss fürchten. Zur Zeit Martin Luthers hatten sich der Klerus (oder Berufschristen) und de Adel zusammengetan. Sie hatten sich in einer Welt mit einer metaphysischen Platzanweisung eingerichtet: Wenn Du arm warst oder reich – Fürst oder Schmied – dann war das nicht Ausdruck Deines Willens, deiner Begabung oder Leistung, sondern von Gottes Willen und unabänderlich. Die Freiheit bestand eher darin zur Kirche zu gehören und damit das Gefühl zu bekommen, dass das Unveränderliche sinnvoll sei.

Zum Widerruf aufgefordert, blieb Luther standhaft. Manche sehen in ihm auch den Erfinder der Alternativlosigkeit, wenn er sagte: Hier stehe ich, ich kann nicht anders.

Belegt ist dieser oft zitierte Satz allerdings nicht. Er findet sich auf einem Holzschnitt aus dem Jahr 1557. Gesagt soll er haben: „[Da] mein Gewissen in den Worten Gottes gefangen ist, ich kann und will nichts widerrufen, weil es gefährlich und unmöglich ist, etwas gegen das Gewissen zu tun. Gott helfe mir. Amen.“

Dies war nun vielleicht ein bisschen viel Theologie. Aber der Anlass ist es wert. Die Reformation hat mit Anteil daran, dass die Freiheitsrechte des Einzelnen anerkannt sind, dass anerkannt ist, alle Menschen werden mit gleicher Würde und gleichen Rechten geboren. Sie hat Anteil daran, dass wir in einer freien Gesellschaft leben.

Die Befreiung von den damaligen Dogmen schaffte neue Möglichkeiten aber auch eine neue Verantwortung. Luther hat das so ausgedrückt. „Ein Christ ist ein freier Herr in allen Dingen und niemanden Untertan. Ein Christ ist freiwillig Knecht und allen Menschen Untertan.“

Dies findet aus meiner Sicht bspw. seine Entsprechung, wenn wir heute sagen, dass Freiheit und Verantwortung zwei Seiten einer Medaille sind.

Egal ob freier Christenmensch oder/und freier Bürger in einer freien Gesellschaft. Wir sind alle stets aufgerufen zu fragen, ob unser Handeln richtig ist, auch über rechtliche Normen hinaus; der Gläubige im Gebet, alle in der Reflektion, im Gespräch oder was sich noch eignet. Nur wenn wir diesen Maßstab anlegen und – bei aller menschlichen Unzulänglichkeit – nach ihm handeln, werden wir unserer Freiheit gerecht und können sie bewahren.

Vieles von dem, was durch die Reformation angestoßen worden ist, ist heute Allgemeingut. Die theologische Auseinandersetzung ist allerdings noch nicht abgeschlossen. Sie findet aber zwischen katholischer und evangelischer (oder protestantischer) Kirche friedlich statt. Die Gläubigen können die Streitpunkte oft gar nicht im Einzelnen nachvollziehen und wünschen sich Lösungen durch die Kirchenleitungen.

Meine Damen und Herren, die Reformation ist Teil unserer Geschichte, sie gehört zu Deutschland. Unsere christlichen Wurzeln bestimmen unsere Identität mit. Wenn ich im anderen Menschen denjenigen sehe, der genau wie ich von Gott gemacht und geliebt ist, dann sollte ich nicht in der Lage sein, diesem Menschen Übles anzutun und ihn zu verachten.

In der heutigen politischen und gesellschaftlichen Auseinandersetzung erleben wir aber zunehmend, wie Verachtung und Verrohung um sich greift. Die Kommentare in den sog. sozialen Medien geben ein beredtes Zeugnis. Sie stammen vielfach ausgerechnet von einer Seite, die das politische Verantwortungsbewusstsein fördern will und sich um die Bewahrung unserer Identität sorgt. Ich spreche von PEGIDA (kurz für Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes) und Co.

Auch diese Entwicklung halte ich für einen Grund, uns gerade im Reformationsjahr auf unsere christlichen Wurzeln – auch inhaltlich – zu besinnen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren,
Kommunalpolitisch war das vergangene Jahr sicher von den Wahlen zum Stadtparlament geprägt. Nachdem wir einen Wechsel im Amt des Bürgermeisters in 2015 hatten bekamen wir 2016 auch in der SVV eine neue Mehrheit. SPD, Freie Wähler und Grüne haben eine Stimme mehr als CDU FDP und AFD.
Diese Mehrheit ist sehr knapp. Damit meine ich nicht nur den einen Sitz bzw. die eine Stimme. Hätten sich 25 Wähler statt für die Freien Wähler für die Freien Demokraten entschieden, hätten alle vier kleinen Parteien im Stadtparlament drei Sitze gehabt. In einem so knappen Ergebnis sehen wir keine Legitimation zu dem angekündigten Politikwechsel in unserer Stadt. Die ersten Maßnahmen der neuen Kooperation liefen auf eine Festigung der schmalen Machtbasis hinaus.
Die drei Ausschüsse wurden von 11 auf 7 Sitzen so verkleinert, dass die Kooperationspartner eine Mehrheit haben. Dass damit sehr viel weniger Stadtverordnete bei der Ausschussarbeit mitwirken können wird in Kauf genommen. Die Erfahrungen im vergangenen Jahr haben gezeigt, dass die Vorbereitung der Entscheidungen in den Ausschüssen darunter gelitten hat. Ein vollmundig angekündigter Vertrag zwischen den Kooperationspartnern, der erkennen ließe, wo die Reise hingehen soll, wurde bislang nicht vorgelegt.
Die FDP war mit zwei Abgeordneten in der Opposition und sie ist es nach der Wahl in bisheriger Besetzung weiterhin. Für andere waren die mit dem Wahlergebnis verbundenen Neuerungen sehr viel gravierender. Ich denke insbesondere an unsere Kollegen bei der CDU.

Wir haben an unserer Linie festgehalten, konstruktiv mitzuarbeiten und dort wo wir es für erforderlich ansehen so gut es geht dagegenzuhalten. Letzteres betraf beispielsweise die Erhöhung der Grundsteuer um weitere 30 Prozentpunkte. Hier haben wir einen Änderungsantrag gestellt und eine Erhöhung um nur zehn Prozentpunkte gefordert, weil diese ausgereicht hätte, um den Vorgaben der Kommunalaufsicht zu entsprechen. Leider wurde unserem Antrag nicht gefolgt. Mein Kollege Dr. Benninger wird hierauf noch weiter eingehen.

Wie in Heusenstamm so erhebt die FDP auch im Kreistag und im Landtag ihre Stimme. Darauf wird René Rock zu sprechen kommen.

Natürlich hoffen wir, in diesem Wahljahr auch wieder im Bund in Berlin unsere Stimme einbringen zu können. Dass die FDP wieder im Bundestag vertreten ist, ist wichtiger denn je. Unser Parteivorsitzender Christian Lindner sagte auf dem Dreikönigstreffen, die liberalen Werte selbst sind keine Gewissheit mehr. Vernunft, Aufklärung, die Herrschaft des Rechts, Bewegungsfreiheit von Menschen Ideen und Waren, was wir für selbstverständlich gehalten haben, ist nicht mehr selbstverständlich.

In den Bundestag muss eine Partei zurückkehren, die die Freiheit des einzelnen im Auge hat, für Weltoffenheit und Toleranz steht, Rechtsstaatspartei und Partei der sozialen Marktwirtschaft ist.

Weltoffenheit
Wir erleben gerade in den USA, dass statt Weltoffenheit Mauern errichtet werden sollen und Schutzzölle angedroht werden. Auch der Brexit seit steht für einen Rückfall in Nationalismus. Wenn Weltoffenheit, freier Handel und Wirtschaften über die Grenzen hinaus nicht für alle Menschen Vorteile gebracht hat, muss Politik Wege finden, dies zu korrigieren. Das kann aber nicht bedeuten, in nationale Egoismen zurück zu verfallen.
Wer glaubt wirklich, dass wir unsere Aufgaben und Probleme alleine lösen könnten. Umweltstandards, Energiepolitik Verkehrspolitik, natürlich auch die Verteidigung können nur im Verbund gestaltet werden.
Wenn Europa von den Bürgern nicht wert geschätzt wird, muss dies zum Anlass für ein Innehalten, Nachdenken und eventuell neu Ausrichten genommen werden. Derartige Signale hat die Bundesregierung bislang nicht ausgesendet. Ob mehr oder weniger Europa der bessere Weg ist, muss diskutiert werden.

Rechtsstaatspartei
Auch in Europa müssen Verträge und das Recht eingehalten werden. Wir selbst waren beteiligt, als es z. B. um die Aufweichung der Stabilitätskriterien ging. Chancen und Risiken müssen sich entsprechen, auch auf den Finanzmärkten.
Bei der Bewältigung der Flüchtlingskrise wurde sich nicht an Gesetze und Verträge gehalten. Nicht einmal eine vorherige Abstimmung mit den Partnerstaaten hat stattgefunden. Dann muss man sich nicht wundern, wenn man hinterher alleine dasteht.
Der Fall Amri, der unsägliches Leid über die Betroffenen in Berlin gebracht hat, zeigt wie weit wir davon entfernt sind, dass unsere Gesetze eingehalten und angewendet werden. Wir sollten hier ansetzen, bevor immer nur nach neuen Gesetzen gerufen wird. Auch dafür steht die FDP.
Die FDP will ein Einwanderungsgesetz das steuert, mit wem wir auf Zeit solidarisch sind wenn wir den Arbeitsmarkt einladen und bei wem weder noch. Rechtsstaatlichkeit und moderne Einwanderungspolitik, dafür treten wir Freie Demokraten ein.
Unser Bundespräsident hat Recht, wenn er sagt, die Bürger wollen einen starken Rechtsstaat aber keinen starken rechten Staat.

Noch ein Wort zur Flüchtlingsproblematik
Wir sollten eines im Auge behalten. Bevor die Migration in unsere Richtung, also nach Europa einsetzte, fand sie vor vielen Jahren in umgekehrter Richtung statt. Aus Europa gingen die Menschen nach Nord- und Südamerikas sowie nach Afrika. Der Philosoph Peters Sloterdijk formulierte kürzlich: Die Entdecker machten jedoch oft nicht bloß von einem Besuchsrecht Gebrauch, sondern leiteten aus der Entdeckung auch Bleiberechte ab. Für die Bewohner geriet die offensive Migration der Europäer zum Debakel. Der bleibende Gast aus einer technisch hoch überlegenen Herkunftskultur brachte Mittel mit, die neu entdeckte Mitwelt zu versklaven. Sloterdijk stellt nüchtern fest, dass es keine vernünftigere Replik als den Versuch gibt, in den Armutsregionen die Verhältnisse zu verbessern. Man könnte auch sagen, zu korrigieren, was die sog. Entdecker mit verursacht haben.
Arme Menschen, die ohne Perspektive in ihren Heimatländern heute zu uns wollen, stoßen bei uns auf Ablehnung insbesondere derjenigen, die sich in unserem System schon als arm, besser vielleicht als abgehängt, empfinden. Den Andrang von Migranten aus Armutsregionen sehen sie als Bedrohung ihrer eigenen Lebenschancen, gelegentlich sogar als Angriff auf ihre Identität. Hier gilt es mit anzusetzen.

Partei der sozialen Marktwirtschaft
In der Wirtschaftspolitik bestehen große Defizite.
Wieweit sind wir bei der Energiepolitik, der sog. Energiewende, von marktwirtschaftlichen Grundsätzen entfernt und wozu hat das geführt? Die Stromkosten für die Verbraucher steigen gewaltig. Der Rechnungshof hat der Regierung ein denkbar schlechtes Zeugnis ausgestellt. Die Industrie verlagert ihre Kapazitäten ins Ausland. Strom, der nach der Abschaltung unserer Kraftwerke fehlt, wird – von herkömmlichen Kraftwerken produziert – aus dem Ausland eingekauft. CO2 wird dadurch nicht vermieden. Eine verfehlte Politik, die mit der FDP so nicht gestaltet worden wäre.
Unser Wirtschaftsminister winkt die Fusion von Tengelmann und Edeka gegen alle Warnungen der Monopolkommission durch. Ordnungspolitische Grundsätze bleiben auf der Strecke. Dass er damit mehr Arbeitsplätze gesichert habe, ist nicht glaubwürdig. Welches Unternehmen beschäftigt mehr Mitarbeiter als auf Dauer wirtschaftlich ist.
Die gegenwärtige Situation ist von niedrigen Zinsen und einem sehr günstigen Wechselkurs für eine exportorientierte Wirtschaft geprägt. Auch die Belastungen durch den demographischen Wandel kommen erst noch richtig auf uns zu. Wenn wir von einer robusten Wirtschaft sprechen, darf dies nicht übersehen werden. Wir überstehen unter den gegenwärtig günstigen Bedingungen den einen oder anderen Fehler in der Wirtschaftspolitik. Unter verschlechterten Umständen werden sie sich aber bitter auswirken.
Der Fokus muss darauf liegen, unsere Zukunft zu sichern. Wir brauchen dazu auch eine neue Gründermentalität und wir brauchen dazu die beste Bildung. Beides will die FDP.

Die FDP steht für eine freie und offene Gesellschaft
Eine Gesellschaft muss offen bleiben, keiner kann von sich behaupten, endgültige Lösungen zu kennen oder einen Zustand für alle, den es anzustreben und durchzusetzen gilt. In einer solchen Gesellschaft ist auch niemand berechtigt, den Menschen vorzuschreiben, wie sie leben sollen. Die FDP wird dies nicht tun.

Als Freie Demokraten stehen wir für die vernünftige Mitte. Aus Tradition und Verantwortung. Daran wollen wir nichts ändern. Das entspricht dem Wesen des Liberalismus, wie Christian Lindner kürzlich sagte. Und er fügte hinzu:

Wenn die Menschen der Auffassung sind, die Welt sei verrückt geworden, dann werden wir Ihnen in diesem Jahr sagen, wenn die Welt verrückt geworden ist könnt ihr ja mal wieder was Vernünftiges wählen.

Damit möchte ich schließen. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

Impressionen des Neujahrsempfang

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