v.l.n.r.: Paul-Gerhard Weiß, Joachim Papendick, Dr. Rudolf Benninger, Uwe Klein und Michael Schüßler

Rede des Ortsvorsitzenden Uwe Klein:

Sehr geehrte Damen und Herren,

„Ich wünsche mir mehr intellektuelle Redlichkeit und auch etwas mehr historisches Bewusstsein und Anerkennung für das breite Spektrum des Liberalismus.“ Dies sagte vor wenigen Tagen Bundespräsidenten Joachim Gauck anlässlich des 60-jährigen Bestehens des Walter-Eucken-Instituts in Freiburg.

Walter Eucken (er lebte von 1891-1950) gilt als einer der Väter der Sozialen Marktwirtschaft. Er entwarf eine Ordnung, in der der Staat so viel wie irgend möglich dem freien Spiel des Wettbewerbs überlässt – aber keinesfalls das Setzen der Regeln selbst. Eine Ordnung, die den Einzelnen weder einer staatlichen Bevormundung unterwirft noch einem Markt, auf dem die Starken so groß werden können, dass sie selbst die Regeln bestimmen. Eine Ordnung, die auf „das Anliegen der sozialen Gerechtigkeit“ zielt und – zur Erfüllung dieses Anliegens – auf den höchstmöglichen wirtschaftspolitischen Wirkungsgrad.

Eucken und seine Mitstreiter wandten sich als sogenannte „Neoliberale“ damit genau gegen jenes reine „Laissez-faire“, bei dem der Markt selbst bzw. seine Akteure und nicht der demokratisch legitimierte Staat die Regeln bestimmt. Trotzdem wurde „Neoliberalismus“ zum Schimpfwort und Freie Demokraten werden mit dem Begriff „Neoliberale“ gebrandmarkt; leider auch von Leuten, die es eigentlich besser wissen müssen. Bundespräsident Gauck fand es denn auch „merkwürdig“, dass der Begriff „neoliberal“ heute so negativ besetzt ist.

Wir haben dies bei der Wahl im vergangenen September schmerzlich erfahren. Nach 65 Jahren, davon 41 mit Regierungsverantwortung, ist die FDP nicht mehr im Deutschen Bundestag vertreten. Dies ist eine schmerzliche Erfahrung für eine Partei bzw. für die Menschen, die sich in dieser Partei engagieren.

Die Verbannung der FDP in die außerparlamentarische Opposition ist selbstverständlich nicht -jedenfalls nicht allein- ihrer vermeintlichen Verunglimpfung als „neoliberal“ zuzuschreiben.

Es wurden Fehler gemacht, schon beim Koalitionsvertrag und der Übernahme von Ressorts in der letzten Wahlperiode. Wahlthemen hatten infolge der Finanzkrise dramatisch an Priorität verloren. Das personelle Tableau hat nicht überzeugt.

In Hessen wurde die FDP gleich mit abgestraft. Mit Ach und Krach sind wir noch im Landtag, aber die Regierungsbeteiligung ist dahin. Die Gründe hierfür erschließen sich – wenn überhaupt – sehr viel schwieriger. Beide Wahlen an einem Tag abzuhalten war im Nachhinein keine gute Entscheidung.

Nun ist Hinfallen ist nicht ehrenrührig. Wichtig ist, wieder aufzustehen. Mit der Wahl der neuen Führungsspitze um Christian Lindner ist ein guter Anfang im Bund gemacht. Wir Liberale in Hessen freuen uns, dass Nicola Beer zur neuen Generalsekretärin gewählt worden ist. Wir Heusenstammer Liberale kennen Frau Beer von Veranstaltungen, bei denen sie unser Gast war, und sie hat ja eine Zeit lang in unserer Stadt gelebt.

Wir wünschen unserer neuen Führungsriege viel Glück. Sie wird es ohne den Bundestag als Plattform viel schwerer haben, unsere Positionen zu verdeutlichen. Die FDP hat aber auch eine große Chance.

Im Bundestag gibt es kein Korrektiv zu den Regierungsparteien. Und eine neue Partei stampft man ja nicht über Nacht aus dem Boden. Wir erleben dies bei der AfD und den Piraten, ganz abgesehen davon, dass diese inhaltlich nicht die Rolle der FDP übernehmen könnten.

Ein Korrektiv ist aber dringend nötig. Das Regierungsprogramm von CDU/CSU und SPD unter dem Titel „Deutschlands Zukunft gestalten“ droht unser Land zurück in die Zeit sozialistischer Experimente zu katapultieren: Flächendeckender gesetzlicher Mindestlohn, Mietpreisbremse, Zuschuss- und Mütterrente, Verteuerung des Faktors Arbeit. Die Agenda 2010, für die unser Land in Europa bewundert wurde, wird rückabgewickelt.

Die rentenpolitischen Beschlüsse der Großen Koalition konterkarieren die mühsam errungenen Schritte zu mehr Nachhaltigkeit bei der Finanzierung des demographischen Wandels, so eine finanzwirtschaftliche Analyse der Uni Freiburg. Quintessenz der Koalitionsvereinbarungen sind mehr Schulden, steigende Beiträge und mittelfristig massive Steuererhöhungen.

Die Oppositionsparteien Linke und Grüne werden bei dieser Politik eher noch eins drauf setzen. Beim gesetzlich flächendeckenden Mindestlohn wird dies bereits deutlich. Innerhalb der großen Koalition greift teilweise die Erkenntnis Platz greift, dass ein Mindestlohn von 8,50 € Arbeitsplätze gefährdet. Deshalb werden Ausnahmebereiche für Rentner und Studierende verlangt. Die Grünen sind dagegen, die Die Linke fordert schon jetzt für alle einen Mindestlohn von 10.00 € pro Stunde.

So verteidigt man die marktwirtschaftliche Ordnung im Sinne von Walther Eucken nicht.

Wir Liberale müssen deutlich machen, dass gut gemeinte Eingriffe des Staates dazu führen, dass Menschen auf Dauer aus- statt eingeschlossen werden, wenn Arbeitsplätze verloren gehen oder weil die Empfänger keinen Sinn mehr darin erkennen, sich um ihr eigenes Auskommen zu bemühen.

Wir Liberale müssen aber auch erkennen, dass viele Menschen Freiheit und Wettbewerb nicht nur für erstrebenswert halten sondern eher als unbequem, anstrengend oder gar bedrohlich empfinden.

Ich möchte an dieser Stelle nochmals unseren Bundespräsidenten zitieren. Er sagt „Das ist das Paradoxe an einer freiheitlichen Ordnung: Ich kenne viele, die einst fürchteten, eingesperrt zu werden, und jetzt fürchten, abgehängt zu werden.“

Es ist sicher kein Zufall, dass die FDP mit ihrem Stimmenanteil in den alten Bundesländern wieder im Bundestag vertreten wäre, aber der geringe Stimmenanteil in den neuen Bundesländern dies verhindert hat.

Umso wichtiger ist es, dass wir Liberale den Menschen die Angst vor Freiheit und Wettbewerb nehmen. Wir müssen deutlich machen, dass fairer Wettbewerb Raum für mehr Teilhabe und Mitwirkung schafft, weil er hergebrachte Privilegien und zementierte Machtstrukturen aufbricht. Dies setzt einen Wettbewerb voraus, der nicht wenigen Mächtigen nutzt, sondern so vielen Menschen wie möglich Chancen bietet.

Deshalb setzten wir uns weiter für Chancengerechtigkeit ein. Ansatzpunkt hierfür ist die Bildung. Nicht ohne Grund hat die FDP während ihrer Regierungsbeteiligung in Hessen den Bildungsbereich so in den Vordergrund gestellt. Die Lehrerversorgung in unserem Land ist so gut wie nie.

Und wir müssen den Wettbewerb gegen wirtschaftliche Kräfte verteidigen, die einseitig Spielregeln zu verändern oder unter dem Deckmantel der Freiheit Privilegien zu etablieren suchen. Eine Klientelpolitik verbietet sich dabei von selbst.

Meine Damen und Herren, die FDP muss Ihre DNA nicht neu erfinden. Sie muss sich aber auf ihre Wurzeln und ihre Kernanliegen besinnen. Dabei möchte ich neben der neoliberalen Ordnungspolitik im eben geschilderten Sinne auch die Bewahrung der Rechtsstaatlichkeit und der Freiheitsrechte nennen.

Liberale setzen auf einen Rechtsstaat, der seinen Souverän, die Bürgerinnen und Bürger, nicht ausspioniert, sondern vor Datensammlungen, egal ob durch die NSA oder durch Kommerzielle Unternehmen schützt.

Wir wollen die bevorstehende Europawahl mit gutem Ergebnis bestehen und setzen dabei weiter auf eine stabilitätsorientierte Strategie. Für uns bedingen sich Solidität und Solidarität. Hilfe an überschuldete Länder setzt voraus, dass sie Reformen umsetzen. Eine Schuldenunion lehnen wir ab.

Noch ein Wort dazu denen, die den Liberalismus gern beerben wollen, zu SPD und Grünen. Sie sehen im Liberalsein offensichtlich eine Marktlücke. Für uns ist es eine Haltung. Und diese weicht deutlich von der ab, die insbesondere die rot-grüne Landesregierung in Baden-Württemberg mit den Entwurf für den neuen Bildungsplan für die fünften und sechsten Klassen erkennen lässt.

Ich möchte dazu Heike Schmoll zitieren, die im Leitartikel der FAZ am vergangenen Freitag schreibt: „Der gesamte Entwurf atmet den Geist eines affirmativen Erziehungsverständnisses, das zum Glück als längst überholt gilt. Er entwirft das Bild eines neuen Menschen nach dem Bild der rot-grünen Landesregierung in Stuttgart und deren Landesinstitut für Schulentwicklung. Das ist deshalb so gefährlich, weil Bildungsprozesse auf diese Weise zu einer einzigen Indoktrination werden können, weil die Beschreibung von Einstellungen und Haltungen schlimmstenfalls in schulischen Gesinnungsprüfungen ausarten könnten, die es in beiden deutschen Diktaturen schon einmal gab.“

Wir wollen als FDP wachsam sein, auch in der außerparlamentarischen Opposition. Wir wollen besser werden und aus Fehlern lernen. Wir zählen darauf, dass viele Bürgerinnen und Bürger die Ziele des Liberalismus teilen.

Und wir wünschen uns, dass Menschen, die die Freiheit schätzen, Eigeninitiative zeigen, bereit sind Verantwortung für sich und andere zu übernehmen, sich bei der FDP wieder wohl fühlen.

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